"Ich fühle mich gut in meinem Glauben"

Rainhard Fendrich hat Österreich eine neue inoffizielle Nationalhymne geschenkt. Eine ganz andere Seite des Sängers ist weniger bekannt.

Marilis Kurz-Lunkenbein für LiMa 10-11

Liedermacher, Sänger, Musicalstar, Herzblatt-Moderator, Drogen, Geld und schöne Frauen. Nach Schicksalsschlägen hat das Leben des Rainhard Fendrich eine erstaunliche Wendung genommen.

Wie ein Macho sieht dieser Mann ganz und gar nicht aus, eher ziemlich unauffällig. Zur Begrüßung in der Pianobar des Münchner Hotel Maritim gibt es einen festen Händedruck und kein Bussi, Bussi. Der österreichische Liedermacher Rainhard Fendrich erscheint pünktlich auf die Minute, bestellt Cappuccino und ein Wasser.

Sich exponieren, alberne Attitüden und sich Wichtigmachen, das sei vorbei, das habe er heute nicht mehr nötig. Vorbei sei auch sein Leben auf der Überholspur mit Drogen, wilden Partys und schönen Frauen. Das wird er mir später erzählen. Denn wir sind verabredet, um über sein anderes Leben zu sprechen, über seinen Glauben, seine aktuellen Lieder, seine Tournee.

Fendrichs jüngstes Lebensglück heißt Julius, ist 54 Zentimeter groß und wog bei der Geburt 4321 Gramm. Am 10. März 2011 ist der Wiener Entertainer noch mal Vater geworden, mit 56 Jahren! „Ein Fisch, wie ich!“ sagt Fendrich und schwärmt von der natürlichen Geburt und wie „toll das war, als ich das Kind erstmals in meinen Armen hatte.“ Und: „Meine Frau ist so eine hingebungsvolle Mutter.“ Im Dezember 2010 hatte er seine langjährige Partnerin, die Berliner Schauspielerin Ina Nadine Wagler (36) in Potsdam geheiratet. Von dieser Frau wird noch die Rede sein, denn ihre Rolle reicht für Fendrich weit über die Bühnenbretter hinaus, auf denen sie sich kennengelernt haben. Das war 2003 bei einem von ihm geschriebenen Musical, in dem Fendrich selbst die Hauptrolle gespielt hat. Das Multitalent ist damals als Entertainer, Schauspieler, Sänger, Texter, Liedermacher unterwegs und in der Bussi-Bussi-Gesellschaft zuhause. “Höher, Schneller, Weiter“ heißt sein Credo in dieser Zeit. Heute klingt es in „Mehr“ auf der CD „Meine Zeit“ ganz anders: „Mehr, immer mehr, einem Trugbild hinterher, niemals Glück, nur Genuss, und trotz Überfluss nur Frust.“

Es sind diese ganz anderen Töne, die der Liedermacher jetzt anschlägt. Schluss mit „Macho, Macho“, „Schickeria“, „Oben ohne“ und „Es lebe der Sport“. Der ehemalige Liebling der Glamourwelt setzt sich in seinen neuen Texten mit Gott und der Welt auseinander. Ja, auch mit Gott. „Denk dran, er ist immer neben dir, der dich stets behütet hat, der für alles, was du je erreicht, dir die Kraft gegeben hat.“ So heißt es in „Wenn du denkst, es geht nicht mehr.“

Wie ist es zu diesem Sinneswandel gekommen? Fendrich denkt kurz nach und erzählt aus seiner Kindheit in Wien: „Na joa, ich bin von meinen Großeltern gut katholisch erzogen worden. Meine Eltern waren berufstätig, deshalb war ich in einem katholisch orientierten Internat. Da gab es jeden Tag eine Messe, und ich war auch Ministrant, wollte mit zwölf Jahren sogar mal Priester werden. Der Weihrauch, die Klingeln, die prächtige Monstranz, das hat mich damals total begeistert, auch das Leben in der Kirchengemeinde, in der ich aufgewachsen bin. Das war für mich wie eine zweite Familie, da gab es Faschingsbälle und Kinderbetreuung, und ich habe mich da immer sehr wohl gefühlt.“

Irgendwann in den Jugendjahren, in den wilden Zeiten, im Stress des Erfolgs ist dem Entertainer der Bezug zu seinem Glauben verloren gegangen, nicht so bewusst, eher beiläufig. „Ich hatte meinen Glauben einfach in eine Schublade gepackt und gar nicht mehr daran gedacht, diese mal wieder zu öffnen.“ Wie auch? Wann auch? „Aber immer, wenn es eng wird und die Seele leidet, dann besinnt man sich wieder, bei Schicksalsschlägen, die Lebenshilfe beanspruchen. Ich bin eigentlich drauf gekommen, dass ich meinen Glauben nie verloren habe, dass der Glaube für mich immer da gewesen ist.“

Sein Leben auf der Überholspur beginnt Anfang der 1980er, der Erfolg fordert seinen Preis. Nach dem Abitur 1974 studiert Fendrich Jura und Psychologie, bricht ab und jobbt als Postbote, nimmt Schauspiel- und Gesangsunterricht. 1980 das erste Engagement als Schauspieler am Theater an der Wien, 1981 der Durchbruch als Sänger mit „Strada del sole“, später „Macho, Macho“, „Schickeria“. Parallel dazu gibt er als Musicalstar erfolgreich den Judas in „Jesus Christ Superstar“, stirbt 350 Mal den Bühnentod. 1984 Heirat mit Andrea Sator, zwei Söhne Lucas (1985) und Florian (1991), Tochter Theresia Valentina stirbt mit 18 Monaten an einer Viruserkrankung. Im Jahr 2003 die Scheidung.

Von 1993 bis 1997 bezaubert der TV-Entertainer mit Wiener Schmäh sein Publikum als „Herzblatt-Moderator“, 130 Mal verkuppelt der Nachfolger von Rudi Carrell junge Menschen vor der Kamera. Die Sendung wird Kult. Aber leichte Unterhaltung ist Schwerstarbeit. Das bekommt auch das Multitalent aus Wien zu spüren. Immer höher, schneller, weiter, das fordert ihn täglich neu, da können Drogen Entspannung bringen. Doch Erfolg ist wie Kokain, beides kann süchtig machen. 2006 wird Fendrich wegen 15 Jahren Kokainkonsums zu einer Geldstrafe verurteilt, macht freiwillig einen Entzug.

Das ist die Zeit, in der jemand für Rainhard Fendrich sinnbildlich die Schublade öffnet, in die er seinen Glauben aus den Kindertagen deponiert hat. „Meine jetzige Frau hat verhindert, dass ich ganz unten aufknalle.“ Als Ina Nadine Wagler den berühmten Schauspielerkollegen kennenlernt, sieht sie zunächst nicht, wie schlecht es ihm damals schon geht. Das spielt für sie auch gar keine Rolle. Die junge Frau an seiner Seite tut ihm einfach nur gut. Sie wird sein rettender Engel. Fendrich: “Ich glaube, dass es Engel auf dieser Welt gibt. Sie begegnen dir und führen eine Veränderung herbei.“ Ina Nadine zeigt Rainhard einen neuen Weg und Perspektiven auf, ganz selbstverständlich, ohne ihn zu drängen. Mit der gläubigen Protestantin besucht er wieder regelmäßig die Kirche, durch sie entdeckt er neu, welche Kraft im Glauben liegt.

Der Glaube ist für Fendrich heute das eine, die Kirche als Institution das andere. „Jesus Christus ist für mich immer noch der Superstar, Probleme habe ich nur mit dem Fanclub auf Erden.“ Zum Fanclub des Herrn auf Erden gehört aber auch einer, mit dem Fendrich eng befreundet ist, wie er sagt. „Das ist der fundamentalistische Bischof Andreas Laun, ein Salzburger Weihbischof und Moraltheologe, mit dem ich immer wieder gute kultivierte Streitgespräche führe. Bischof Laun ist ein sehr gebildeter Mann, und wenn er Zeit hat, wird er uns im Sommer auf Mallorca kirchlich trauen und Julius taufen.“

Nach Jahren in Spanien und in Amerika ist Fendrich wieder in Wien daheim. Nicht umsonst heißt es in seiner inoffiziellen Nationalhymne „I am from Austria“ über sein Österreich: „Da bin ich her, da will ich hin …“ Im Gespräch in München erzählt er: „Ich bin sogar in meine Pfarre zurückgekehrt, das ist die Sankt Rochus Kirche im dritten Bezirk, da bin ich groß geworden, da bin ich getauft worden, habe ich meine Erstkommunion empfangen. Besonders gefreut über meine Rückkehr hat sich die Schwester Anna, bei der wir früher mittwochs immer Seelsorge hatten. Die war bei meiner Rückkehr 90 Jahre alt und hat mich noch erkannt. Das war wirklich ein sehr berührendes Erlebnis.“

Einen anderen aus dem Fanclub, den Pfarrer in St. Rochus, Pater Georg Herberstein, kennt und schätzt Fendrich noch aus seinen Jugendtagen. „Ja, ich bin ein gläubiger Mensch, auch wenn mir verschiedene Dinge an der Kirche nicht passen, aber ich werde nie austreten, das kann i net. Ich bin in der katholischen Kirche aufgewachsen, ich zahle meine Kirchensteuern und gehöre dazu. Ich fühle mich einfach gut in meinem Glauben.“

Wenn er unterwegs ist, geht er nicht mehr an den Kirchen vorbei, sondern hinein: „Vor allem in Bayern gibt es so schöne Kirchen. In München war ich in der Marienkirche drinnen. Da mache ich am Weihwasserbecken mein Kreuzzeichen, knie vor dem Altar nieder, setze mich hin und denke über mein Leben nach. Das verschafft mir innerlich Ruhe. Was mich dabei immer wundert, ist nur die Reaktion der Leute, die einen so komisch ansehen. Bevor ich dann gehe, zünde ich noch zwei Kerzen an, eine für meine verstorbene Tochter, eine für meinen Freund Georg Danzer, der 2007 an Lungenkrebs gestorben ist.“ Seinem Freund, dem Liedermacher Georg Danzer, ist auch sein Abschiedslied auf der CD „Meine Zeit“ gewidmet, in dem es heißt: „Und man erkennt erst dann, wieviel auf amoe föt, (wieviel auf einmal fehlt) wenn a Freund, a Freund für immer geht.“

„Ich bin jetzt zu meinen Wurzeln als Liedermacher zurückgekehrt, habe mich auch musikalisch reduziert und singe über Themen, die mich beschäftigen. Die Zukunft unserer Kinder ist für mich wichtiger als irgendein Partysong. Unterhaltung hat eben auch mit Haltung zu tun. Mein Wunsch ist es, dass das Publikum gedankenvoll, aber nicht ratlos nach Hause geht. Ich sage meine Meinung und suche das Gespräch mit Gleichgesinnten und Andersdenkenden.“

Eine Weile ist es ganz still in der Pianobar des Maritim. Draußen zwitschern die Vögel um die Wette, geben ihr Frühlingskonzert. Ein nachdenklicher Fendrich verabschiedet sich: „Wer mit offenen Augen und Ohren durch diese wunderschöne Welt geht, muss einfach daran glauben, dass es da oben einen gibt, der schlauer ist als wir. Und wir müssen wieder lernen, an ihn zu glauben. Ich habe meine Häuser gebaut und meine Bäume gepflanzt. Ich habe eine wunderbare Frau, noch einmal ein Kind geschenkt bekommen, ich habe meinen Beruf, ich bin gesund. Das alles ist doch wohl mehr als genug, um jeden Morgen beim Aufstehen Danke zu sagen.“

Anhänge herunterladen